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Hier sind die TOP Music Tracks des Jahres 2024.

Wie immer äußerst subjektiv von Old Zone Boy & Meteorist Jan

 

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TOP 10 Sometimes, I Swear (The Vaccines)

Die britische Indie-Rock-Band The Vaccines liefert mit „Pick-Up Full of Pink Carnations“ ein Album, das so frisch und nostalgisch zugleich klingt, als hätten sich The Ramones und The Strokes gemeinsam im Proberaum verschanzt, um die ultimative Roadtrip-Playlist zu basteln.

Und dann ist da „Sometimes, I Swear“ – ein Song, der einen direkt auf den Highway katapultiert. Fenster runter, Musik auf Anschlag, das Gefühl von absoluter Freiheit – egal ob im Mercedes-Cabrio, 911er  oder Dacia Dokker. Wichtig ist nur: kein Stau & keine Geschwindigkeitsbegrenzung. (Da sind wir Wissing zu Dank verpflichtet.) Eine perfekte Hymne für alle, die sich gern in der Unendlichkeit der Straße verlieren.

Entsprechend heißt es im Song:

Sometimes, i swear, it feels like i don’t belong anywhere…
More gods than the greeks…

https://www.youtube.com/watch?v=R4VTfu95HHc

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TOP 9 Floating On A Moment (Beth Gibbons)

Als stilprägende Stimme der Trip-Hop-Band Portishead hat Beth Gibbons das Genre mit ihrer melancholischen, jazzigen und beinahe geisterhaften Gesangsästhetik nachhaltig geprägt. Diese eindringliche Melancholie durchzieht auch ihr erstes Soloalbum „Lives Outgrown“.

Mit „Floating On A Moment“ entfaltet Gibbons ihren typischen intimen, atmosphärischen Klangkosmos. Der Song lebt von minimalistischer Instrumentierung – Synthesizer, subtile Streicher und eine filigrane, fast entrückte Gesangsmelodie verleihen ihm eine schwerelose Anmutung. Das begleitende Video ist ebenso reduziert und verstärkt das Gefühl von Isolation und Endzeit.

Und die gute Nachricht: Auch als Solokünstlerin bleibt Beth Gibbons’ Musik zeitlos – dunkel, intensiv und tief berührend. Perfekt für Tage, an denen man sich fragt, ob es überhaupt noch Sinn macht, die Wohnung zu verlassen.

https://www.youtube.com/watch?v=ldrx0eSqV-E

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TOP 8 Alone (The Cure)

Mit „Songs of a Lost World“ haben The Cure im November 2024 ihr erstes Studioalbum seit 16 (!) Jahren veröffentlicht – und es ist ein großartiges, monumentales Werk. Acht ausladende Tracks widmen sich den großen Themen Vergänglichkeit, Verlust, Tod und der menschlichen Existenz.

Das Album, das am 1. November vor 3000 Zuschauern im Londoner Troxy vorstellt wurde, schlug ein wie eine Bombe. Es entfaltet eine dichte Klanglandschaft schrammelnder Gitarren; lange instrumentale Passagen erzeugen eine Atmosphäre intensiver Melancholie. Über allem schwebt Robert Smiths unverwechselbare eindringliche Stimme.

Ich muss zugeben: Ich war nie der größte The Cure-Fan. Zu sehr mainstream. Doch was die Band nun an Hymnen der Vergänglichkeit geschaffen hat, ist beeindruckend.

Schon beim Blick auf die Tracklist wird klar: Hier gibt es keine Hoffnung. Songs wie „Alone“, „And Nothing Is Forever“ und „A Fragile Thing“ „Endsong“ klingen wie ein verregneter Novemberspaziergang.
Eine gute Kritik des Albums findet sich hier:
https://apnews.com/article/cure-song-lost-world-album-review-5c94952a91e7bbde75d580ae8f4e0c27

Ich habe mich als TOP 8 für „Alone“ als Lyric-Video entschieden. Man braucht ein wenig Geduld. Robert Smith setzt erst nach 3:30 Minuten mit seinem Gesang ein. Doch das Warten lohnt sich – versprochen. Der Text auf den Punkt. Düster & sakral.

https://www.youtube.com/watch?v=sx9SVAtMkJM&list=RDsx9SVAtMkJM&index=1

Noch krasser ist der abschließende 10-minütige „Endsong“, dessen Titel kaum treffender gewählt sein könnte. Hier schrammeln sich die drei altgedienten Cure-Musiker mit ihren Gitarren in eine hypnotische Klangtrance. Erst nach sechseinhalb Minuten erhebt Robert Smith schließlich seine Stimme, um zu verkünden:
I’m outside in the dark – wondering how I got so old.
Und das wundern wir uns alle – spätestens seit die 6 vor unserem Alter steht. Dear Robert, willkommen im Club. Und dann folgt die ultimative Erkenntnis:
It’s all gone, it’s all gone, it’s all gone
No hopes, no dreams, no world

https://www.youtube.com/watch?v=8jCe5_mCsOg

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TOP 7 (1) What Now (Brittany Howard)

Bekannt als Frontfrau der Alabama Shakes hat sich Brittany Howard mit ihrer unverwechselbaren Mischung aus Blues, Soul, Rock und R&B auch als Solo-Künstlerin einen Namen gemacht. Irgendwo habe ich über sie gelesen: „Die vielleicht beste lebende Bluesrockerin.“

Brittany Howard ist eine dieser Musikerinnen, die man nicht einfach hört – man wird von ihr überrollt (kein Wunder bei ihren geschätzten 130 kg).
„What now“ strahlt einen entspannten, soulig-funkigen Groove aus. Im Song dreht es sich um die ewige Frage: „Was jetzt?“ (Oder auch: „Warum ist mein Leben ein Chaos und wieso hat mir das vorher niemand gesagt?“). Hier eine schöne Live-Performance des Songs in der Late Show.

https://www.youtube.com/watch?v=1fcIcOF-gRY

TOP 7 (2) It was the Moment (Michelle Gurevich)

Die russisch-amerikanische Musikerin Michelle Gurevich – eine meiner all-time favorites – ist eine brillante Texterin, die sich mit Liebe, Einsamkeit, Vergänglichkeit und der Absurdität des Lebens auseinandersetzt. Ihre Lyrics sind oft bitter, ironisch, aber gleichzeitig zutiefst berührend. Ihre Musik fühlt sich an wie eine russische Tragikomödie auf Vinyl – düster, lakonisch, aber irgendwie auch tröstlich.

Im Song It was the Moment fragt sie sich (und uns), worum es im Leben geht und was vom Leben bleibt… (tip: the answer is the title)

https://www.youtube.com/watch?v=0rAS0uPo_OQ

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TOP 6 Wild God (Nick Cave)

Der dunkle Poet liefert mit dem Album „Wild God“ ein weiteres düsteres Werk ab. Ein neuer Trauergottesdienst des apokalyptischen Propheten.
Nick Cave ist ein begnadeter Live Performer, ich habe ihn bislang 5 mal live gesehen – das erste Mal Mitte der 80er in der Zeche Bochum und das letzte Mal in den 2010ern auf der Reeperbahn.

Hier ist der Titeltrack „Wild God“ – gespielt in der Uber Arena in Berlin. Der Song beginnt mit markanten Piano-Klängen, die an frühere Werke wie „Jubilee Street“ erinnern, und entwickelt sich zu einem gewaltigen Gospel-Finale, das das so dramatisch ist, dass man unwillkürlich nach einem Kerzenleuchter (oder nach der Taschenlampenfunktion vom Smartphone) greifen will. Wild God“ ist für alle, die wissen wollen, wie es klingt, wenn ein düsterer Prophet das Ende der Welt zelebriert.

https://www.youtube.com/watch?v=KJQwoMrGWd8

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TOP 5 Whispers In The Echo Chamber (Chelsea Wolfe)

Chelsea Wolfe ist so etwas wie die Hohepriesterin der musikalischen Dunkelheit – eine Künstlerin, die es geschafft hat, Schönheit und Schrecken in einem einzigen Atemzug zu vereinen. Wer sie einmal gehört hat, weiß: Hier ist nichts nett. Hier ist alles tief, schwer und irgendwie mystisch.

„Whispers in the Echo Chamber“ klingt genau so, wie man es sich vorstellt: Ritualhafte Drums, düstere Gitarren und eine Stimme, die irgendwo zwischen flüsterndem Geistermädchen und sirenenhaftem Kataklysmen-Gesang pendelt.

Kopfhörer auf, Kerzen an, und abtauchen in eine düstere Welt:

https://www.youtube.com/watch?v=L0o2GraeMlo

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TOP 4 Common Loom (Xiu Xiu)

Xiu Xiu ist eine emotionale Abrissbirne. Wer ihre Musik hört, hat entweder einen exquisiten Geschmack oder ist gerade mitten in einer künstlerisch wertvollen Identitätskrise. Seit 2002 liefert Jamie Stewart Avantgarde auf Steroiden, irgendwo zwischen Post-Punk, Noise, Industrial und der akustischen Repräsentation einer nervlichen Kernschmelze.

„Common Loon“ ist ein Song, der so verstörend ist, dass er problemlos als Soundtrack für ein Arthouse-Horror-Drama durchgehen könnte. Elektronisches Chaos trifft auf fragile Melodien, düstere Akustik trifft auf ohrenbetäubenden Wahnsinn – es ist wunderschön, es ist grausam, es ist Xiu Xiu. Einer meiner all-time favs.

Das Musikvideo? Trash pur. Sieht aus wie das Fiebertraum-Homevideo eines Vogelkundlers, der zu lange allein im Wald war. Aber genau das macht es so großartig. Der Common Loon, auf den sich der Songtitel bezieht, ist ein Vogel mit sehr klagenden Rufen, der als Symbol für Einsamkeit und die unerfüllte Sehnsucht nach Verbindung dient.

https://www.youtube.com/watch?v=9jgeZ6NDcBE

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TOP 3 Grace (Mila Mar)

Mila Mar ist eine deutsche Band, die Ethereal Wave, Darkwave & Tribal Sounds zu einer hypnotischen Klanglandschaft verwebt.

„Grace“ ist die dritte Singleveröffentlichung aus ihrer Chronologie „Songs from the other Side“. Es ist ein  hypnotischer, düster-schöner Soundtrack zum Untergang der Welt, untermalt von rollender Percussion und einem Gesang, der klingt, als hätte sich ein orientalischer Priester in einer gotischen Kathedrale verirrt. Unsere Erde, verstanden als Mutter allen Lebens, ist erkrankt und leidet.
See my earth is down.
She is on fire.
She is burning.“

Grace will Kraft spenden, mit rollender Percussion, mit orientalisch anmutenden Gesangn den Weg der Zerstörung aufhalten und Hoffnung schaffen.

https://www.youtube.com/watch?v=qA5TNwUN6_Y

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TOP 2  GODMOTHER (Noga Erez feat. Eden Ben Zaken)

Die israelische Künstlerin Noga Erez zählt zu den spannendsten Stimmen des modernen elektronischen Art-Pop. Mit ihrem einzigartigen Sound, der Hip-Hop-Einflüsse, experimentellen Pop und treibende Elektronik vereint, hat sie sich international einen Namen gemacht. Neben ihrer musikalischen Innovationskraft engagiert sie sich auch politisch – vor allem auch gegen Netanjahu – und setzt sich für eine Versöhnung mit den Palästinensern ein.

Für „GODMOTHER“ holt sie sich die marokkanisch-israelische Sängerin Eden Ben Zaken an Bord– eine Sängerin, die das mit der Stimme aufdrehen so gut beherrscht, dass sich Opernhäuser freiwillig verneigen würden. Was passiert also, wenn eine elektronische Innovatorin auf eine Opernstimme trifft? Ganz einfach: Ein Song, der klingt, als würde der Soundtrack zu einem epischen Sci-Fi-Blockbuster und ein Opernchor gemeinsam in den Krieg ziehen.

Bei „GODMOTHER“ geht es um Isolation, Entfremdung und die Suche nach Zugehörigkeit in einer zerrissenen Welt: Mommy from the desert, Daddy from the snow / And I am everywhere cause I got nowhere to go.

Dramatische Orchesterparts? Check.
Treffende politische Botschaft? Check.
Ein Refrain, der dich packt und erst nach drei Tagen wieder loslässt? Doppel-Check.

https://www.youtube.com/watch?v=b8ZIWf3t2QE

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TOP 1 Like the End (James Blake)

James Blake ist einer faszinierendsten und innovativsten Grenzgänger der zwischen experimenteller Elektronik und gefühlvollem R&B Songwriting. Er arbeitete mit Künstlern wie Beyoncé, Frank Ocean, Bon Iver, Travis Scott, Jay-Z und Kendrick Lamar zusammen. Vor allem in der Electronic Music und im R&B-Bereich ist sein Sound immer wieder zu hören – seine Fähigkeit, elektronische Elemente mit organischem Songwriting zu verbinden, hat neue Standards gesetzt.

Und wer hat schon Zeichen & Ausprägungen unser aller Ende so wunderschön in Szene gesetzt und besungen?

https://youtu.be/sglbIVO9IQQ?si=prpxSIU6Pf8tgvUE

TOP 10

Music/Videoclips 2023 (First half)

Schon wieder das halbe 2023 rum, Zeit für die TOP 10 der ersten sechs Monate. Mit Metallica, Iggy Pop und Depeche Mode kommen im ersten Halbjahr echte Klassiker mit neuen Alben um die Ecke. Iggy und DP schaffen es in die TOP 10, Metallica nicht.

Zuvor eine kurze persönliche Bemerkung: Für mich ist alles, was jetzt noch kommt, Extra Time. Zwar ist, um mit Mark Twain zu sprechen „die Nachricht von meinem Tod stark übertrieben„. (Zitat von ihm, noch quicklebendig, als Zeitungen bereits Nachrufe über ihn verfassten). Aber es war knapp, meinte der Chefarzt, 2-3 Tage später zum Arzt und ich wäre wohl mit einem Zettel am Fuß aus der Klinik geschoben worden.

Daher in der TOP 10 noch mehr Fokus (als ohnehin) auf Verschwinden, Vergänglichkeit in den Texten, in den Clips.

Und Vögel gehen ohnehin immer in meinen Charts, so vielfältig in ihrer Symbolik …

 

Platz 10

Bird (Katatonia)

Der erste Bird-Song in der TOP 10 ist von Katatonia. Die Band der schwedischen Dark Metaller existiert bereits seit etwa 3 Dekaden. Das neue Album „Sky Void Of Stars“ – Anfang 2023 veröffentlicht – ist auch für Alternative- und Indie-Freunde sehr gut hörbar. Im melancholischen sterne-leeren Himmel fliegen die Vögel. Sind wir mutig genug, ihnen zu folgen? Um Vorahnungen über die andere Welt, die andere Seite des Himmels zu bekommen?

Is the heart brave enough yet?

Uncover the sky and show me the birds.

They rise.

Premonitions of the other side. 

Platz 9

Flowers (Miley Cyrus) 

Ist der Karpe senil geworden? Miley Cyrus in den TOP 10. Was soll das? Will der uns verarschen?

Nein, liebe Freunde, der Song ist gut. Aber das ist nicht der Grund für Platz 9. Sondern die Story der so vergänglichen Liebe. Flowers ist die trotzige Abrechnung mit ihrem fremdgehenden (nunmehr Ex-) Mann Liam. Sie knüpft musikalisch an „When I Was Your Man“ von Bruno Mars an – der Song, den der Ex Miley an ihrer Hochzeit gewidmet hat. Aber während Bruno sich wimmernd wünscht, er hätte seiner Liebsten Blumen mitgebracht und nach ihrer Hand gegriffen, dreht Miley den Text um: Die Blumen kann sie sich selbst kaufen und die Hand halten ebenso… And remember: Selbstliebe ist der Beginn einer lebenslänglichen Leidenschaft (Oscar Wilde).

I can buy myself flowers / Write my name in the sand

Talk to myself for hours / Say things you don’t understand

I can take myself dancing / And I can hold my own hand

Yeah, I can love me better than you can.

Und wer ein Fitness Tutorial sucht, wird auch fündig.

Platz 8

Silenceland (Annakin)

Die Schweizerin Annakin zählt auch schon beinah 50 Jahre. Und das ist ja das Drama: Man merkt, dass man wirklich alt geworden ist, wenn uns sogar Leute, die jünger sind als wir, alt erscheinen. Jedenfalls tanzt sie als Alien-Braut am Beach und nimmt uns mit in eine windige außerirdisch-mythische Gegenwelt: Silenceland. Und wie lautet noch Wittgensteins letzter Satz aus dem tractatus philosophicus: Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.

Oder eben singen und tanzen.

This is where we stand 

This is Silenceland

It is what it is.

Und wer, der in seiner Schulzeit nicht von Erich Fried verschont worden ist, erinnert sich hier nicht an dessen wohl berühmteste Zeile: Es ist, was es ist, sagt die Liebe.

Platz 7

Strung Out Johnny (Iggy Pop) 

Wenn es ein Wesen gibt, das die Unvergänglichkeit verkörpert, dann er: der unkaputtbare Godfather des Punk – Iggy. Seine Teammates Lou und David hat er schon Jahrhunderte überlebt. Pünktlich zu den heiligen drei Königen dieses Jahres veröffentlicht der Unverwüstliche sein 21. Soloalbum (ohne Stooges). Strung Out Johnny sehe ich als Rückblick auf sein Leben als Junkie:

God made me a junkie

But Satan told me so

Und diese Zeilen des Songs könnten in jeden Drogenunterricht integriert werden.

First time, you do it with a friend

Second time, you do it in a bed

Third time, you can’t get enough

And your life gets all fucked up

 

Platz 6

If You Want Me (Marketa Iglova) 

Wow. What a Love Story! Marketa Iglova und Glen Hansard. Marketa lernte den irischen Straßenmusiker Glen Hansard in den 2000ern kennen und lieben. Ein ungleiches Paar, er von den lärmigen Dubliner Straßen, sie als reine Studienmusikerin von musikbegeisterten Eltern bereits als Kind mit Piano und Gitarre erzogen.

2006 kamen sie zusammen und machten das Album „Swell Seasons“, auf dem der Song „If You Want Me“ zu finden ist. Dieser Song ist nun vor ein paar Wochen als Fotoalbum veröffentlicht worden.

Die Love Story in dem Clip ist kitschig-schön. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die beiden lange wieder getrennt sind. Wieso sollte es Musikerpaaren anders gehen als dem Rest der Welt? Das macht für mich die Love Story umso schöner, weil vergänglich. Und was wäre denn eine Liebe ohne Vergänglichkeit? Wahrscheinlich irgendetwas wie das Konzept Gott. Ich glaube aber eher an das Konzept der Vergänglichkeit, da bin ich mir wenigstens sicher, dass es existiert.

Oder wie es Zarko Petan, der slowenische Aphoristiker sagte: Was die Vergangenheit betrifft, bin ich Optimist.

 

Platz 5

Pretty Bird (Raz Ohara) 

Der dänische Wahl-Berliner, mittlerweile auch schon seit 29 Jahren im Prenzlauer Berg ansässig, ist seit 1999 als DJ, Sänger und Musikproduzent tätig. Nach einigen Experimental-Ausflügen ist er nun zurück zu seinem guten alten knarrenden Electrosound. Der Pretty Bird jedenfalls knarrt und fiept und quietscht und zieht einen langsam sicher in seinen Bann. Und was verkörpert der schöne Vogel?

Pretty Bird descending …

Crawling across my Shoulder

to remind me, I’m free

Platz 4

Instability: Closer Than You Will Ever Be (UNKLE)

Der britische Electronica James Lavelle aka UNKLE  ist auch schon uralt, nämlich 49. Und er weiß um das Umsonst aller Dinge: Sunset. Umarmung. Flüchtig. Vergänglichkeit. Und die leitmotivische Zeile:

Our enemy is closer than you will ever be

geht in die Knochen und tief ins Herz.

Platz 3

Ghosts Again (Depeche Mode) 

Das am 24. März dieses Jahres veröffentliche Album „Memento Mori“ von Depeche Mode ist ein Abschiedsgruß an Gründungsmitglied Andrew „Fletch“ Fletcher, der im Mai 2022 im Alter von 60 Jahren verstarb. Der Song „Ghost Again“ ist eine tanzbare Ermahnung, die Zeit auf Erden sinnig zu nutzen.

Im Video sieht man Dave Gahan und Martin Gore vor Großstadtkulisse an einem überdimensionierten Schachbrett – in Schwarz und mit Kapuze bekleidet. Ihre Gehstöcke haben sie angelehnt, sodass die Kamera auch über die Totenköpfe schwenken kann, die ihre Gehstöcke zieren.

Die Grundidee ist aus Ingmar Bergmans legendärem Film Das siebente Siegel aus dem Jahr 1957. Ein Ritter, der vom Kreuzzug heimkehrt und mit seinem Glauben ringt, trifft auf den Tod, der ihm das Ende seiner Lebensspanne eröffnet. Doch der Ritter erwirkt einen Aufschub: Solange der Tod ihn nicht im Schachspiel geschlagen hat, darf er weiterleben.

Für das morbide Video, sämtliche Cover-Artworks und die neuen Bandfotografien zeichnet wieder Anton Corbijn verantwortlich, der als langjähriger Vertrauter die legendäre Karrierephase der Briten ab 1986 in Szene setzte.

Alles geht zu Ende. Das Spiel wird nicht ewig gehen. So what? Let’s dance until…

Heaven’s dreaming

Thoughtless thoughts, my friends

We know we’ll be ghosts again

Faith is sleeping

Lovers in the end

Whisper we’ll be ghosts again

Platz 2

The Stars Align (Jay-Jay Johanson)

Der schwedisch-britische Singer-Songwriter Jay-Jay Johanson ist bekannt für seinen schwer melancholischen Sound. Ein Vorbild für seine Stimme ist nach seinem Bekunden der legendäre Jazzposaunist und -sänger Chet Baker. Seine Musik bewegt sich zwischen Trip-Hop-Genre, Electro und Jazz. So wie dieser Song auf seinem im Juni releasten Album „Fetish“.

 

Platz 1

Milk & Honey (Mick Harvey & Amanda Acevedo)  

Kaum jemand – auch nicht Blixa Bargeld – hat so lange mit Nick Cave zusammengearbeitet wie der Australier Mick Harvey. Erst bei den Boys Next Door, dann bei den legendären Band The Birthday Party. Harvey und Cave bildeten dann 1983 Nick Cave und The Bad Seeds. Harvey blieb 26 Jahre bei den Bad Seeds bis zu seinem Ausscheiden 2009.

Für das Album „Phantasmagoria In Blue“ arbeitet er zusammen mit der in San Luis Potis lebenden mexikanischen Sängerin und Filmemacherin Amanda Acevedo zusammen. Das Album ist ein 14 Titel umfassendes Duett-Album, auf dem Harvey und Acevedo alten Stücken neues Leben einhauchen, sei es dergestalt, dass sie sich existierende Duette zu eigen machten, sei es, dass sie Lieder, die nie als Duette gedacht waren, als solche umarrangierten, manche Stücke dazu aus dem Spanischen übertrugen, andere auf Spanisch sangen – und zusätzlich einige Eigenkompositionen aufnahmen.

Thematisch befasst sich das Album mit den immerwährenden Themen der Sterblichkeit, der Liebe, des Rätselhaften und Mythischen und der Suche des Menschen nach Sinn. Ein üppiges und mitreißendes Album voller überbordender Fantasie und Sinnlichkeit, mit der es Songs von so unterschiedlichen Künstlerinnen wie Tim Buckley, Luis Eduardo Aute, Sibylle Baier, Silvio Rodriguez und Pat Benatar neu interpretiert.“ (Vgl. https://www.flight13.com/mick-harvey-amanda-acevedo-phantasmagoria-in-blue-cd-lp-vinyl/149793)

Platz 1 ist ein alter Jackson-Frank-Song: Milk & Honey.

Sunset, Beach, Dog, Hot Mexican Girl – mehr Paradies geht nicht. Aber wir ahnen es auch hier: Vergänglichkeit. Paradise lost

Autumn’s leaving and winter’s coming

I think that I’ll be moving along

I’ve got to leave her and find another

I’ve got to sing my heart’s true song

 

Als Mitgründer, Bassist, Songautor und einer der beiden Sänger der Band Pink Floyd hat er (Roger Waters – Anm.) entscheidend an einer Musik mitgewirkt, die zum Größten, Erhebendsten, emotional Aufschlussreichsten und Klügsten gehört, was in der Geschichte der Musik je von irgendwem gespielt wurde.

Man muss Konzerte nicht verbieten. Man kann auch einfach nicht hingehen, wenn der Mann mit seiner angemieteten Band kommt.

Joachim Hentschel, SZ, 11.02.2023

Leider bist du antisemitisch bis zu deinem verfaulten Kern. Du bist ein lügender, stehlender, heuchlerischer, Steuern umgehender, zum Playback die Lippen bewegender, frauenfeindlicher, von Neid zerfressener Größenwahnsinniger.

Polly Samson, britische Schriftstellerin, Journalistin und Ehefrau von Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour (SPIEGEL Kultur, 07.02.2023)

Platz 10
Wovenhand: 8 Of 9

Welch Albtraum: Horden toter Büffel, blutende Rosen, ein ölindustrieverseuchtes Land, mutierte menschengroße Heuschrecken und Frösche, totweisende Heugabeln und Sensen. Die zwischen Alternative Country und Americana zu verortende Band Wovenhand feiert die Apokalypse Amerikas. Tipp: Den Lautstärkeregler bis zum Anschlag drehen, zurücklehnen, Kippe an, Whiskey einschenken und dann den amerikanischen Untergang genießen. Hoffnung gibt es keine.

 

Platz 9
Lovetones: About The Girl

Kürzlich fuhr ich mit Jasper durch die Gegend und im Radio lief „Across The Universe“ und ich sang mit. Jasper fragte mich, ob ich „diesen alten Schleim etwa“ gut fände. Das hat mich schockiert: Beatles und alter Schleim. Ohne Beatles – Sgt. Pepper, Lucy In The Sky With Diamonds (LSD) etc. – wär doch die ganze Psychedelic Music nicht entstanden – versuchte ich einzuwenden, aber da hat er schon seinen Headset auf, hört neuen Anti-Schleim und schaut mich mitleidig an. Umso froher bin ich, dass es eine aktuelle australische Band mit typischem psychedelic Beatles-Sound & -Pictures gibt. Song und Video „About The Girl“ könnten musikalisch und bildlich direkt anschließen an „Strawberry Fields Forever“, als zweiter Satz sozusagen.

 

Platz 8
Björk – Atopos

Die trollige Island-Elfin hat wieder zugeschlagen. An der Grenze zur Atonalität, aber eben nicht über diese Grenze hinaus, so dass der Song auch für Freunde der Harmonien immer noch (so gerade) hörbar bleibt. Und in Sachen Kostüme schlägt sie ohnehin niemand in dieser oft zu grauen Welt. Love it or skip it.

 

Platz 7
Zola Jesus: The Fall

Es ist immer schön, eine Gothic Queen unter den TOP 10 zu haben. Diesmal ist es Zola Jesus, die mit schlafwandlerischem Schwebezustand und schweren Opern-Gesten „The Fall“ – den Niedergang – feiert. Allzuschön: Die fünf tanzenden Engel um sie herum.

 

Platz 6
S O H N: Segre

Nach fünf Jahren Pause gibt es endlich wieder chillige Elektrotöne von S O H N. Das Electronica- und Post-Dubstep-Duo Act aus London und Wien schickt zwei beeindruckend flexible Tänzerinnen in den weißen Loft (bitte nicht zu Hause nachmachen).

 

Platz 5
Editors: Heart Attack

Die britischen Indie Rocker legen mit ihrem siebten Album „EBM“ variantenreiche, sehr gut hörbare Songs zwischen Synthie Pop, Dark Wave und Hard Rock vor. „Heart Attack“ ist für mich das Video des Jahres. Und der Refrain hat Ohrwurmcharakter.

 

Platz 4
Flume feat. Caroline Polachek: Sirens

Dem australischen Electronica-DJ und Tausendsassa Flume ist gemeinsam mit der New Yorker Art-Pop-Größe Caroline Polachek ein großes Werk gelungen. Der Gesang der Sirenen, Töne aus einer anderen Welt. In der griechischen Mythologie locken die Sirenen durch betörenden Gesang die vorbeifahrenden Schiffer an, um sie zu töten. Hier scheint es eher so, als dass sie in den Untergrund steigt und ihn mit ihrem Gesang aus dem Wasser zieht. Ist das nun seine Rettung oder sein Untergang?

 

Platz 3
Chris Garneau: Ballard

Schon wieder eine Zumutung von dieser super Schwuchtel. Erst jammert und winselt er zwei Minuten darüber, (unglücklich) verliebt zu sein, dann lässt er es noch zwei Minuten ausjaulen und -faden. Und ein Video gibt’s auch nicht.
Aber ich steh auf diesen Typen. Jedenfalls auf seine Musik. War schon auf drei seiner Konzerte. Sein innovativ-melancholischer Sound. Und der Text, der tief bei mir einschlägt. Und wer kennt das nicht? Schlaflos wälzt man sich hin und her, verliebt, leidet, fragt sich warum – Mystery is loud -, und hofft darauf, dass irgendeine höhere Macht einem die Verliebtheit abnimmt, aber das passiert natürlich nicht:

I knew light
I met you in the dawn.
Now all the night I spend it alone.

Can you unravel that? Mystery is loud
How you can un-feel it? It’s crawling up the wall

 

Platz 2
ODESZA: Behind The Sun

Das US-amerikanische Electronica-Duo hat wieder einen rausgehauen: Sphärische Klänge zu sphärischen Bildern hinter der Sonne. Tipp: Eine Droge nach Wahl (Kaffee tut‘s auch schon), ganz laut, Video auf Vollbild und ab geht die Reise hinter die Vernunft.

 

Platz 1
Crippled Black Phoenix: Wyches And Basterdz

Die schwedisch-britische Art-Rockband bezeichnet ihre Songs gerne als Endtime Ballads. Bei Wikipedia heißt es: „Viele ihrer Stücke sind vergleichsweise lang und recht aufwändig gestaltet. Oft wird ihre Musik mit derjenigen der frühen Pink Floyd verglichen. Dieser Aufwand erfordert, für Live-Auftritte zusätzliche Musiker zu engagieren. Laut Greaves werden die Songs ohne Rücksicht auf die spätere Bühnentauglichkeit geschrieben, was trotz der Zusatzmusiker manchmal erfordere, das eine oder andere Stück nicht aufzuführen.“

Der antikommerzielle Duktus der Band wird auf dem vergangenen September veröffentlichten Album „Banefyre“ schon dadurch deutlich, dass drei Songs länger als 10 Minuten dauern. Thema und Text des etwa fünfminütigen Songs „Wyches And Basterdz“ ist nichts für sensible Zeitgenossen und die Schreie der verbrannten Hexe dringen bei 3:27 durch.

Ein Video zum Song gibts nicht, dafür das Album-Cover des Jahres. Und das kann man fünf Minuten betrachten und entdeckt viele grausige Details. Versprochen.

Quelle: WEB.DE

Statt des letzten Viertelfinales zwischen Frankreich und England gibts am Samstagabend als Kontrastprogramm eine vorweihnachtliche Risikoveranstaltung. Eine ganz ansehnliche Menge Ü50 trifft sich in der Essener Grugahalle, um einem Album zu huldigen, das auch schon fast ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat: das komplette Meisterwerk „The Lamb Lies Down On Broadway“, dargeboten von der Genesis-Coverband „The Musical Box“ (Foto oben). Bedauerlicherweise hatte ich die Original-Show damals als Teenager verpasst und hoffte insgeheim, auf diesem Wege meine nostalgische Wehmut lindern zu können. Ich wurde nicht enttäuscht. Begleitet von dezentem Licht und einer ansprechenden Dia-Show beschwört die Band mit Leidenschaft fürs Werk und zum Detail verschüttete Erinnerungen beim Zuhörer herauf. Vor allem aber schafft es Sänger Denis Gagné mit seiner Performance und einer Stimme, die dem Original Peter Gabriel oftmals beeindruckend nahe kommt, die Brücke zum Publikum zu schlagen. In den schönsten Momenten ist die Illusion geradezu perfekt, eine zweieinhalbstündige Zeitreise zu meinem 16-jährigen Ich. Höhepunkt der Show ist aber das namensgebende Monumentalstück „The Musical Box“, das in einem gewaltigen Finale endet. Wow! Bescherung für die Baby Boomer, als das Licht wieder angeht zufriedene Gesichter überall. Jetzt nichts wie nach Hause, einen Becher Pfefferminztee schlabbern und ab ins Bett.

Nach über 30 Jahren haben sie sich
für ein neues Projekt wieder zusammengefunden:
Jan Karpe (Text) und Frittz Loch (Musik) begaben sich
auf ungewohntes Terrain
und kommen nun als „SCHALLWAISEN“
ans Licht der Öffentlichkeit zurück.

Hier und heute das erste Stück „Verlorene Dinge (Zero-G)“.