Halbfinale ist heute kein Kuschelzoo, zaghaftes Abtasten fällt aus, nach fünf Minuten steht’s 1:0 für Frankreich. Es entwickelt sich ein flottes Spiel mit Vorteilen für die Equipe Tricolore und zwei Großchancen für Giroud. Highlight ist allerdings El Yamiqs Fallrückzieher kurz vor der Pause, der Lloris und den Pfosten streift. Halbzeit. Kann eigentlich ein einzelner Spieler das gesamte Spielfeld als Arbeitsplatz verstehen und dabei auch noch überall unverschämt gute Aktionen haben? Griezmann kann. Wo der Ball auch hinkommt, Griezmann ist schon da, und rettet, grätscht, passt auf, räumt auf, baut auf. Dazu eine Eiffelturm-solide Abwehr und Mbappé mit seinen unwiderstehlichen Flügelläufen, die Franzosen verteidigen ihre Führung meisterlich. Und erhöhen auf 2:0. Marokko kämpft mit viel Herz, aber vergebens. Heute hat es noch nicht zur Sensation gereicht, das marokkanische Märchen ist zu Ende.
Das Traumfinale heißt Argentinien gegen Frankreich.

Quelle: WEB.DE

Recherche: Vincent Bruns

Statt des letzten Viertelfinales zwischen Frankreich und England gibts am Samstagabend als Kontrastprogramm eine vorweihnachtliche Risikoveranstaltung. Eine ganz ansehnliche Menge Ü50 trifft sich in der Essener Grugahalle, um einem Album zu huldigen, das auch schon fast ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat: das komplette Meisterwerk „The Lamb Lies Down On Broadway“, dargeboten von der Genesis-Coverband „The Musical Box“ (Foto oben). Bedauerlicherweise hatte ich die Original-Show damals als Teenager verpasst und hoffte insgeheim, auf diesem Wege meine nostalgische Wehmut lindern zu können. Ich wurde nicht enttäuscht. Begleitet von dezentem Licht und einer ansprechenden Dia-Show beschwört die Band mit Leidenschaft fürs Werk und zum Detail verschüttete Erinnerungen beim Zuhörer herauf. Vor allem aber schafft es Sänger Denis Gagné mit seiner Performance und einer Stimme, die dem Original Peter Gabriel oftmals beeindruckend nahe kommt, die Brücke zum Publikum zu schlagen. In den schönsten Momenten ist die Illusion geradezu perfekt, eine zweieinhalbstündige Zeitreise zu meinem 16-jährigen Ich. Höhepunkt der Show ist aber das namensgebende Monumentalstück „The Musical Box“, das in einem gewaltigen Finale endet. Wow! Bescherung für die Baby Boomer, als das Licht wieder angeht zufriedene Gesichter überall. Jetzt nichts wie nach Hause, einen Becher Pfefferminztee schlabbern und ab ins Bett.

Krass, ein Tor in der ersten Halbzeit reicht Marokko gegen Portugal zum Einzug ins Halbfinale. Historisch. Im zweiten Abschnitt war es laut Reporter Réthy „ein Spiel wie aus den Siebzigern. Hau weg die Pille.“ Geschluckt.

Quelle: DAZN

Dass die Kroaten aus einem anderen Holz geschnitzt sind als die hilf- und wehrlosen Südkoreaner zuvor, dürfte die Seleção im Matchplan berücksichtigt haben. Ungleich schwerer tut sich die brasilianische Elf dann auch und sieht sich immer wieder kroatischen Gegenangriffen ausgesetzt. Huch, das kannte Brasilien bisher noch gar nicht. Ein Nervenspiel entwickelt sich, ein einziger Fehler kann das Aus bedeuten. Für die Zuckerhütchen eine Katastrophe, Neymar hatte doch schon auf dem Hinflug nach Katar seine Shorts mit dem sechsten Stern gepostet und das gesamte Team nach dem Achtelfinale dem todkranken Fußballgott Pelé den Titel versprochen. Die Einstellung stimmt also, wären da nur nicht diese ungemütlichen Kroaten, die einfach kein Tor kassieren wollen. Und so kommt in diesem zähen Spiel, was kommen musste, Verlängerung. Es dauert bis zur 105. Minute, als sich Neymar durchs kroatische Schlüsselloch dribbelt und die Führung erzielt und mit seinem 77. Länderspieltor mit der Legende Pelé gleichzieht. Beachtlich. Nichtsdestotrotz verstehen die kroatischen Kicker keinen Spaß und versauen in der 116. Minute mit dem ersten echten Torschuss und Ausgleich die Stimmung. Penalty shootout. Und so geschieht, was niemand für möglich gehalten hätte, Brasilien verschießt zweimal und muss nach Hause. Kroatien und ihr 37-jähriger Anführer Luca Modrić stehen im Halbfinale.

Am Abend startet zwischen der Niederlande und Argentinien auch der Kampf der Generationen. Der älteste Trainer des Turniers (van Gaal) gegen den jüngsten, Lionel Scaloni. Auf dem Rasen passiert aber zunächst nichts Spektakuläres bis zur 35. Minute, als Messi einen traumhaften No-Look-Pass direkt auf den Fuß von Molina spielt, der das Leder nur noch reindrücken muss. In der zweiten Halbzeit wird dann überdeutlich, dass dieses holländische Team auch nur ganz kleine Broodjes backt, es findet keine Lücke im argentinischen Abwehrdickicht. Chancenlos. Messi erhöht per Elfmeter auf 2:0 und der Drops scheint gelutscht. Bis in der 82. Minute der Geh-Weghorst den Anschlusstreffer erzielt, und plötzlich wanken die Gouchos. Doch es kommt noch schlimmer: Mit seiner zweiten Bude in der zehnten Minute der Nachspielzeit schafft der ex-Wolfsburger auch noch den Ausgleich und erzwingt 30 Minuten Extrazeit. Eine Verlängerung des Willens und der Moral – weniger pathetisch geht nicht – und ein Elfer-Krimi, dessen Ende Argentinien tanzen lässt. Für Holland bleibt nur die Weihnachtsfeier.

Die erste WM in einem arabischen Land
Die erste WM im (europäischen) Winter
Die teuerste WM der Geschichte
Gianni Infantino verspricht die „beste WM aller Zeiten“
Nördlich der Hauptstadt Doha entsteht im Rahmen der WM mit Lusail City ein komplett neuer Stadtteil mit Stadion, Hotels, Golfplätzen und künstlicher Lagune
Eine der optisch schönsten Arenen der Welt
(Al-Janoub-Stadion in al-Wakra von Stararchitektin Zaha Hadid, s.o.)
Das Eröffnungsspiel (und erste WM-Spiel Katars überhaupt) endet vor fast leeren Rängen
Der sportlich schlechteste Gastgeber aller Zeiten (0 Punkte, 1 Tor)
In Gruppe E (mit Deutschland) fallen die meisten Tore (22)
Deutschland hat in der Vorrunde die meisten Torschüsse (66) aller Teilnehmer
Jüngster Spieler des Turniers ist der Dortmunder Youssoufa Moukoko (18 Jahre, 3 Tage)
Ältester Spieler ist der Kanadier Atiba Hutchinson (39 Jahre, 9 Monate, 23 Tage)
Wertvollster Spieler ist laut „transfermarkt.de“ Kylian Mbappé mit einem Marktwert von 160 Millionen Euro
Die Zuschauerzahlen bei ARD und ZDF sinken um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2018
Mit Béla Réthy und Sandro Wagner hat das ZDF allerdings ein Team in den Stadien, das sich gegenseitig zu ungeahnten Hochleistungen anspornt
Der „Direktor Nationalmannschaften“ Oliver Bierhoff tritt nach dem WM-Aus zurück
König Salman verordnet nach dem 2:1-Sensationssieg gegen Argentinien für Saudi-Arabien einen Feiertag
Kameruns Verbandspräsident und ex-Profi Samuel Eto‘o kickt in Doha einen aufdringlichen Fan zu Boden
Hollands Bondscoach Louis van Gaal: „Ich bin 71 Jahre und sehe aus wie ein Gott.“
In einem Lotto-Laden in Wattenscheid-Höntrop lerne ich den ex-Profi Dirk Kontny (u.a. SGW 09, VfL Bochum) kennen