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Die erste faustdicke Überraschung im Wettbewerb ist heute Vormittag zu bestaunen, als Saudi-Arabien als krasser Außenseiter Argentinien mit 2:1 zum Duschen schickt. Respekt.
Keine Tore fallen in den Partien zwischen Dänemark, einem „frechen Tunesien“ (Kicker-Ticker), Mexiko und Polen. Einziger Höhepunkt bleibt ein verschossener Elfer von Robert Lewandowski. Immerhin.
Zum Abschluss eines langen Fußballtags zaubert sich der amtierende Weltmeister Frankreich gegen die Down Underdogs zu einem mühelosen 4:1-Sieg. Erwartbar.

Das Sprüchlein des Tages liefert gestern DFB-Rampensau Olli Bierhoff. Es beklagt nicht den Mangel an Hygieneartikeln im Mannschaftshotel, sondern ist eine kauzig-trotzige Reaktion auf den FIFA-Beschluss, nicht die „One Love“-Blindenbinde zu erlauben. Hätte man doch vorher mal in den Regelkatalog des Weltfußballverbands geschaut. Oder, wie es abends im TV der ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe auch dem letzten D(FB)eppen völlig einleuchtend erklärt: Wer „A“ sagt (und so eine Protestbinde ins Leben ruft), sollte auch bereit sein „B“ zu tun. Darauf hat der DFB aus Angst vor Konsequenzen dann doch verzichtet und sein Schwänzlein eingezogen, und so zeigt das einzig starke Zeichen des Tages die iranische Nationalelf, die aus Protest über die Zustände in ihrer Heimat das Mitsingen der Hymne verweigert. Wer übrigens Fußballer (m/w/d) mit „Eiern“ sehen will, dem empfehle ich die Doku „Born for this“ über die deutsche Frauen-Nationalmannschaft. Aber das nur am Rande.
Das erste leckere Appetithäppchen serviert am Nachmittag dann Frenkie de Jong im Spiel gegen den Senegal mit seinem Zuckerpässchen, das zum 1:0 führt, Endständchen 2:0. So werden unsere orange-bunten Nachbarn ganz, ganz weit kommen, um dann rechtzeitig das Finale im Kreise ihrer Liebsten auf dem heimischen Sofa genießen zu können.
Am Abend läuft dann noch das Spiel der zwei verschiedenen Halbzeiten zwischen USA und Bales (irgendwie liest es sich komisch, aber es MUSS doch Bales heißen, oder?), das mit einem verdienten Unentschieden endet.

Foto: DFB

Das zweite Turnier-Spiel startet mit der längsten Halbzeit der WM-Geschichte aufgrund der Verletzung von Irans Keeper Beiranvand. Nach dessen Auswechslung ist es Bellingham, der den Torreigen für den ewigen „Titelaspiranten“ England eröffnet und die eigenen Fans zu zarten „Hey Jude“-Gesängen ermuntert.
Der Downer dann zur Halbzeit im Heute-Journal: Manu Nationale wird nicht mit der „One Love“-Kapitänsbinde auflaufen. Und zwar aufgrund der Androhung von Sanktionen seitens der FIFA. Dabei hatte Chef-Glatze Infantino doch vor kurzem noch auf einer Pressekonferenz „I feel gay“ in die Mikrofone gehaucht.

https://www.sportschau.de/fussball/fifa-wm-2022/video-wm-2022-infantino-ich-fuehle-mich-100.html

Zurück zum Sport: Die Dreameleven macht kurz nach der Pause mit dem 4:0 den Saka zu, nur um den tapferen Iranern drei Minuten später den Anschlusstreffer zu gönnen. Geht da noch was? Jo, 6:2 heißt es am Ende. Sieht so etwa Solidarität mit dem gebeutelten iranischen Volk aus? Nicht die feine englische Art.

Boykottiert jetzt sogar das eigene Publikum die WM? ZDF-Reporter Béla Réthy hatte „so etwas noch nicht erlebt“. Nach der Halbzeitpause im Eröffnungsspiel blieben große Teile der Zuschauerränge leer. Was war da los?

a.: Im Fanshop gab’s Gratis-Klatschpappen
b.: Nebenan startete die Weltmeisterschaft im Kamel-Rennen
c.: Das waren nur die Europäer und Amerikaner, die ins Hotel zurück mussten, um ihren Alkoholpegel zu regeln

Nach all den endlosen Diskussionen, Vorbehalten und Kritiken wurde heute dann doch die 22. Fußball-Weltmeisterschaft in Katar angepfiffen. Und darum soll es hier gehen: um Fußball.
Bis einschließlich 2014 war das für mich immer ein mit Aufregung, Anspannung und großer Freude erwartetes vierwöchiges Fest. Ich habe mich auf die Stars gefreut, die großen Teams, die Titelaspiranten, die Geheimfavoriten. Und genauso auf die Underdogs, die Außenseiter. Was für ein Spaß, wenn es einer solchen Mannschaft gelang, einem vermeintlich Großen mit Herz, Leidenschaft und dem nötigen Glück ein „Bein zu stellen“. Jeder von euch hat sicherlich die ein oder andere Erinnerung an solche Spiele.
Heute also Katar gegen Ecuador, und vom Gefühl her hatte ich Katar, immerhin aktueller Asienmeister (!), als Außenseiter ausgemacht. Zu Recht, wie sich nach 90 Minuten herausstellte. Noch nie hatte es dieses Land geschafft, sich für ein WM-Turnier zu qualifizieren, als Gastgeber war die Teilnahme diesmal allerdings automatisch gesichert.
Auweia, wie schwach diese zusammengeklonte Elf am heutigen Abend wirklich war, hat mich dann doch überrascht. Es fehlte an allem, an ALLEM, müßig, das aufzuzählen.
Was hatte man im Vorfeld nicht alles über die Bemühungen der Katarer gehört und gelesen, um ein schlagkräftiges Team auf die Beine zu stellen. Die gesamte afrikanische Wüste wurde nach tauglichen Spielern umgegraben, mit der Aspire-Academy eines der größten Trainingszentren der Welt aus dem Boden gestampft, die Spieler monatelang unter bestmöglichen Bedingungen auf diesen Moment vorbereitet. Und dann das: ein grausames, herzloses, grottenschlechtes Gekicke. Geld allein schießt eben doch keine Tore.
Ich lege mich fest: Katar war heute die schlechteste Mannschaft, die ich je bei einer WM gesehen habe. Ecuador, nicht gerade als Fußball-Großmacht bekannt, gewann verdient und einigermaßen mühelos 2:0 und darf sich Hoffnungen machen, die über die Gruppenphase hinausgehen. Wären da nicht unsere verehrten Freunde in Oranje und der Senegal.