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Das geht ja los wie die Feuerwehr. Chance auf Chance rollt die Maschine Richtung gegnerisches Tor, gefühlt 90 Prozent Ballbesitz. Gnabry und Kimmich nicht wiederzuerkennen, Musiala hinreißend, alle rackern, jeder verlorene Ball wird umgehend zurückgeholt. Das wirkt einschüchternd auf die Mittelamerikaner, aber richtig Angst verbreitet die Linienrichterin, die so grimmig dreinschaut, als wolle sie jemanden mit ihrer Fahne verwemsen.
Nach dreißig Minuten wird es ruhiger, fast Standfußball und Costa Rica wittert katarische Morgenluft. Da strauchelt Raum, Rüdiger patzt und Fuller steht frei vor Neuer. Irrer Reflex! Der Pausenpfiff ertönt zur rechten Zeit.
Was dann kommt, ist ein turbulente, nervenaufreibende zweite Halbzeit. Deutschland ist nervös, Costa Rica energisch, führt plötzlich 2:1 wie auch Japan im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien. Damit wäre Japan Erster, Costa Rica Zweiter. Doch wir spielen auf Sieg, drehen das Ding durch Havertz und Füllkrug 2:4. Spanien ehrenlos, verliert und ist weiter. Uns haben 25 Minuten gegen Japan gereicht um auszuscheiden.
Ein Wort noch zur Schiedsrichterin, beste Frau auf dem Platz.

Die Einstellung hat schon mal gestimmt gegen Spanien und das über die gesamte Spieldauer. Wenn alle auf dem Platz am Donnerstag 100 Prozent bringen, wird CR11 kein Stolperstein, kein zweites „Südkorea“, allerdings nur mit spanischer Schützenhilfe.

DIE AUFSTELLUNG

Im Tor ist MANU NEUER unantastbar, auch wenn seine Rolle bei zwei der drei Gegentore zumindest diskussionswürdig ist.
Erhebliche Probleme in der Abwehr und vorne die wenigen Chancen ungenutzt lassen, ist laut TV-Experte Sandro Wagner, der mittlerweile wie ein 70er-Jahre-Softporno-Darsteller rüberkommt, „eine ganz schlechte Mischung“. Da hat er recht.
RÜDIGER ist gesetzt, SÜLE sicher auch, aber auf welcher Position? SCHLOTTERBECK ist eine Option mit Biss, muss sich aber deutlich steigern, das ist noch nicht der Mann der vergangenen Saison in Freiburg. Man sollte mal bei Meister Streich nachfragen, woran das liegen könnte.
Die Außen sind ein Problem, KEHRER nicht die erhoffte Verstärkung, RAUM hat die richtige Mentalität, wirkt mitunter aber etwas überhastet und unreif und hat gegen Spanien kaum Impulse nach vorne gebracht. Auf ihn wetten würde ich nicht, er kann sich aber vielleicht noch zur benötigten Topform steigern. Experimente mit GINTER und GÜNTER in der Anfangsformation sehe ich eher kritisch, Rotationen dienen nicht der Sicherheit, die Abwehr muss endlich stehen. Für einen von beiden ist vielleicht aber doch Platz, zumindest als Einwechselspieler.
An GORETZKA und KIMMICH führt kein Weg vorbei, wobei unser Chef-Sechser unbedingt noch ˋne Schippe drauflegen muss. Die Ecken sollte er anderen überlassen, scheißer als JK geht gerade nicht. GÜNDOGAN versucht im Mittelfeld zu lenken, macht nach vorne und hinten gute Sachen, hat aber, wie KIMMICH, zu wenig Kontrolle im Mittelfeld.
HOFMANN hat zweimal gespielt, ohne, dass es einer gemerkt hätte. Auch MÜLLER scheint verzichtbar, weil kaum am Spiel beteiligt. Den gegnerischen Torwart permanent anzulaufen ist jedenfalls kein ausreichendes Jobprofil für einen Stammstürmer. Vielmehr hat auch GNABRY nicht bewirkt, von HAVERTZ ganz zu schweigen. Von Ice-Kai kann man so viel mehr erwarten. Die beiden wirken, als wären sie lieber woanders. Auswechselbank?
MUSIALA ist jetzt schon mit 19 Jahren alternativlos, FÜLLKRUG hat auf jeden Fall den Spirit, bei SANÉ versagen sogar die besten Wahrsager. Macht er, macht er nicht?
Auf der Bank sitzen noch ein paar Männer mehr, die Fähigkeiten haben um Spiele zu entscheiden. Warten wir ab, welchen Pfeil der Hansi noch aus dem Köcher zieht. Vertrauen könnte ein wichtiger Faktor sein. Fitness, Bereitschaft, Herz auf jeden Fall. Es wird die Aufgabe von Coach Flick sein, aus diesem Gemenge endlich ein ernstzunehmendes und durchschlagkräftiges Team auf den Platz zu stellen. Vom Titel spricht ja keiner, aber das Achtelfinale sollte doch Pflicht sein.

Spanien startet flott, hat mehr Ballbesitz, erspielt sich erste Chancen, aber unsere Elf kämpft sich ins Spiel, die erhoffte Reaktion. Nach 20 Minuten hat man das Gefühl, dass jederzeit auf beiden Seiten irgendwas passieren kann, Rüdigers Kopfball-Wumms ist aber Abseits. Unsere Außenverteidiger Raum und Kehrer sorgen immer wieder für Aufregung vor dem Tor, leider meistens vor dem eigenen. Mit einem letztendlich verdienten Unentschieden gehts in die Pause.
Nach einer Stunde patzt Kehrer zum wiederholten Male, Rüdiger steht nicht da wo er immer steht, Süle kommt zu spät und Neuer geht schon wieder früh in die Knie, 0:1 durch Morata. Nach 70 Minuten hat Hansi Flick endlich ein Einsehen und wechselt. Das zahlt sich aus. Sané und Füllkrug sorgen für frischen Schwung und die Nationalzahnlücke macht tatsächlich kurz vor Schluss den etwas glücklichen und wunderschönen Ausgleich. Ein hartes Stück Arbeit und ein Hoffnungsschimmer für das abschließende Match gegen Costa Rica.

Zwei Änderungen zum Japan-Spiel hat Trainer Flick verkündet: Goretzka für Havertz, Kehrer für Schlotterbeck und dazu sanfte Verschiebungen in der Statik des Systems, damit soll’s dann vorerst gegen Spanien genügen. Tenor nach dem Costa-Rica-Sieg heute Mittag ist „wir können noch nicht ausscheiden“. Mit so einer plumpen Floskel kann man sich aber doch nicht zufrieden geben. Immerhin wäre der „Direktor Nationalmannschaften“ Oliver Bierhoff „mit einem knappen Sieg schon zufrieden“. Aber auch nicht mit weniger. Jawoll.
Eine Reaktion auf dem Platz muss her, Sieg oder Blut im Schuh, wie mein Opa immer sagte, die Spannung steigt. Anpfiff.

…WM verpennt?

Spanien macht direkt Ernst gegen Costa Rica. Ist das denn nötig? Ich finde schon. Sieben Buden gegen Navas sind dann doch mehr als nicht schlecht. Schweinibasti schwafelt im TV davon, dass Schland Spanien schlagen kann. Schaun wir mal. Das wird auf jeden Fall ein Spaß am Sonntag, wir stehen schon im Endspiel. Das mach uns erst mal einer nach.

Und sonst so? Stell dir vor, es ist Sieg und nur die anderen feiern. Schon Sepp Herberger hat gesagt, dass die Leute ins Stadion gehen, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Diesen Eindruck hat man heute eigentlich gar nicht, ein Highlander-Spiel („Es kann nur einen (Sieger) geben“) und trotzdem tanzen am Ende die Japaner übers Feld. Weil „unser“ Bochumer Blindfisch Asano aus unmöglichem Winkel „unseren“ Manu Neuer ganz alt aussehen lässt. Ich hab Schnappatmung. So etwas erlebt man nur einmal im Leben, Asano auch.

MANUEL NEUER: zwei Weltklasse-Paraden auf der Linie sind nicht genug, bei Asanos unerklärlichem Geistesblitz lässt MN1 die kurze Ecke offen
ANTONIO RÜDIGER: der heimliche Chef im Team und einer der wenigen mit Normalform, also super, herrlich, wie er in einer Szene im Traberstil Asano abläuft
DAVID RAUM: erste Halbzeit hui, zweite Halbzeit pfui
NIKLAS SÜLE: macht was er soll, solide und souverän
NICO SCHLOTTERBECK: wenig Licht, und Schatten
JOSHUA KIMMICH: der Boss kann besser
ILKAY GÜNDOGAN: organisiert, treibt nach vorne, gut in der Defensive, trifft Tor und Außenpfosten
THOMAS MÜLLER: bemüht und glücklos, hat es sich schon augemüllert?
JAMAL MUSIALA: der kann so tolle Sachen, macht er auch, wirkt aber leicht überfordert
KAI HAVERTZ: der kann auch so tolle Sachen, ist aber meistens einen Schritt zu langsam, im Abseits oder woanders
SERGE GNABRY: führt 90 Minuten seine Frisur spazieren
JONAS HOFMANN: ach, echt, eingewechselt, für wen?
LEON GORETZKA: man spürt seinen unbedingten Willen, scheut keinen Zweikampf, setzt Kopfball und Schuss knapp neben die Pfosten, eine Führungspersönlichkeit
MARIO GÖTZE: zwei, drei Impulse, mehr nicht, trotzdem schön
NICLAS FÜLLKRUG: zweites Länderspiel, ein Kopfball, null Effekt
YOUSSOUFA MOUKOKO: jüngster Spieler im Team

HANSI FLICK: alles richtig gemacht?